Aktionsgruppe www.puure-huus.ch Bulletin Nr. 48
Liebe Kolleginnen
und Kollegen,
…und
führe uns nicht in Versuchung…!
Gedanken zum Tiers
Garant (TG) und Tiers Payant (TP)
„Ich hoffe, Sie können Ihre Kollegen überzeugen, sich nicht
freiwillig in die Abhängigkeit der Versicherer zurückzubegeben!“ Dies
schreibt ein Kollege aus dem Kantons St. Gallen, der standespolitisch und im
Trustcenter (TC) Gallonet aktiv ist. Zur Zeit ist der Tiers Garant im Kanton Zürich erheblich
unter Druck geraten. Keine Woche vergeht, wo nicht eine der Krankenkassen mit
einer honiggetünchten Stimme uns ins Liedchen des allein seligmachenden
Tiers Payant einstimmen wollen. Wenn der Kanton St.
Gallen, der jahrelang nichts anderes kannte als den Tiers Payant,
die Fronten per 1.1.2007 wechselt, sollte uns das zu denken geben. Es ist ja
durchaus erlaubt, aus den Fehlern anderer zu lernen, ohne diese Erfahrung
selber machen zu müssen…
Ich
möchte deshalb dieses Thema aus der Sicht eines Arztes an der Front und auch
als Verwaltungsrat des Trustcenters trustmed
beleuchten.
Vorteile
des Tiers Garant (TG):
Der
Zürcher Tarif des Tiers garant hat ein paar
unbestrittene Vorteile:
Der
Patient als Honorarschuldner erhält die Möglichkeit der Kontrolle der Rechnung
(wo gearbeitet wird, geschehen immer Fehler). Der Datenschutz ist
vollumfänglich gewährleistet. Im Durchschnitt erfolgen die Zahlungen via
Patient eher früher als jene durch die Kassen. Im TG ist es viel einfacher und
nahe liegender, die Daten durch ein TC laufen zu lassen. Dies ermöglicht es
uns, eigene, zuverlässige Daten zu generieren, die unseren politischen
Vertretern erst noch ein paar Monate vor den Kassen zur Verfügung stehen.
Dass
wir unsere Daten schliesslich im TG (wenn auch zu einem sehr günstigen Preis)
verkaufen können, soll unsere Argumentation nicht entscheidend beeinflussen.
Dennoch ist dieser Faktor angesichts grosser Volumina auch nicht zu
unterschätzen. Wenn wir damit einen Teil der TC-Kosten
finanzieren können, warum nicht.
Der TG
hat eigentlich nur zwei Schwachstellen: Die erste ist das Inkassorisiko
bei unzuverlässigen Patienten. Interessanterweise ist die Zahlungsmoral
ausgerechnet dort am schlechtesten, wo man besondere Dankbarkeit erwarten
würde, nämlich im Notfalldienst. Ich habe schon verschiedentlich auf diese
Schwachstelle hingewiesen und werde es an geeigneter Stelle weiter tun. Die
zweite Schwachstelle ist das Risiko, dass der Patient die Rückvergütung der
Kassen einkassiert und sich aus dem Staub macht. Ich bin allerdings heute
überzeugt, dass sich diese Probleme im Sinne einer Ausnahmeregelung auch
innerhalb des TG lösen lassen. Ob man dies dann Tiers Garant direkt nennt oder
anders, das tut nichts zur Sache.
Wo liegen
die Risiken des TP?
Wir
werden mit dem Zückerchen geködert, dass uns in Zukunft unser sauer verdientes
Geld ohne Inkassorisiko munter aus der Giesskanne der Kassen entgegensprudelt.
Dabei vergisst man leicht, dass wir uns dabei in gefährlicher Weise von den
Kassen abhängig machen. Wir haben in wenigen Jahren zahlreiche Fusionen erlebt
und wir wissen, dass die zehn stärksten Kassen schätzungsweise 90% unserer
Kundschaft abdecken. Jeder fünfte Patient ist bei Helsana
versichert.
Was
glauben Sie, was passiert, wenn ich durch einen hohen Patientendurchschnitt bei
den Kassen in Ungnade falle und die Helsana die
Auszahlungen an mich stoppt? Dies kann ein totaler oder ein vorübergehender
Stopp sein. Erfahrungsgemäss genügt schon eine absichtliche Verzögerung um ein
bis zwei Monate wahrscheinlich bei vielen Kollegen, um sie liquiditätsmässig
in die Knie zu zwingen. Eines ist klar: Das Kassensterben wird sicher noch
beschleunigt weitergehen, sodass wir bald nur noch einigen wenigen Superkassen
gegenüberstehen. Dies ist ein Klumpenrisiko erster Güte, auf das ich gerne
verzichte.
Im weiteren müssen wir die Rechnungen splitten,
wenn Nichtpflichtmedikamente oder Zeugnishonorare enthalten sind. Zudem dürfen
wir Ende Jahr kontrollieren, ob die angegebene Kasse noch stimmt. Wenn zwei
sich einig sind, habe beide genug zu tun...
Ich
erinnere nochmals an die Warnung aus dem Kanton St. Gallen:
Ich
hoffe, Sie können Ihre Kollegen überzeugen, sich nicht freiwillig in die
Abhängigkeit der Versicherer zurück zu begeben! Hüten wir uns vor einem derart
grossen Klumpenrisiko! Noch ist nichts verloren, es ist aber höchste Zeit,
aufzuwachen. Hüten wir uns bei Morgarten und
basteln wir nicht am Strick herum, an dem man uns aufhängen will!
Nachlese: Vortrag von Dr. Montgommerie „Aerztestreik in
Deutschland - Erfahrungen und Lehren“
Am
09.11.06 informierte Dr. Montgomery in sehr anschaulicher Art über den
Ärztestreik in Deutschland und seine Folgen. Durch den Streik konnten die
Saläre der Ärzte, welche in der Grössenordnung von 20-30 Euro/Std liegen (!) um 0-30% je nach Qualifikation erhöht
werden. Das Problem liegt nun allerdings darin, dass dieser Rahmentarif von
jedem Einzelnen erstritten werden muss, wenn er nicht
automatisch vom Arbeitgeber gewährt wird, was offenbar selten der Fall ist.
Dr. Montgomery nannte zwei unabdingbare
Voraussetzungen, welche zum Erfolg des Ärztestreiks wesentlich beigetragen
haben:
1. Eine
Aerzteorganisation ist nicht in der Lage ein Streik
zu organisieren. Dieser muss durch die Unzufriedenheit an der Basis selber
ausgelöst werden, und kann dann von der Organisation gelenkt werden. Eine
Demonstration, die „von oben verordnet wird“ und dazu führt, dass der Anführer
„ständig nach hinten schauen muss, ob er überhaupt Gefolgschaft hat“ ist zum
Scheitern verurteilt.
2. Die
Akzeptanz der Öffentlichkeit lag nach dem 8-wöchigen Streik immer noch bei 70%!
Heikle Bereiche wie Kinderkliniken und Notfallstationen wurden nicht bestreikt.
Folgende Lehren könne aus dem Vortrag
gezogen werden:
1. Wenn
eine Demonstration von der Basis ausgehen und von ihr getragen werden muss,
dann reicht es nicht, wenn der Einzelne die Faust im Sack macht und weiter
seinem eigenen Tagwerk nachgeht. Dass wir noch nicht genügend Wut im Bauch
haben, zeigt die Tatsache, dass der Hörsaal lediglich zu etwa 50% belegt
war...(zum Glück hat der Journalist des Tages-Anzeigers vor lauter Begeisterung
über den Vortrag nicht bemerkt, dass der Saal keineswegs „übervoll“ war)
2. Die
öffentliche Meinung ist verknüpft mit der Berichterstattung in den Medien und
PR trächtigen Aktionen. PR betrifft aber jeden Einzelnen von uns. Sie beginnt
mit der Übernahme des Notfalldienstes, zeigt sich durch Artikel in den lokalen
Zeitungen und gipfelt in grösseren Aktionen der Ärztegesellschaften. Aktuell
bestehen bei uns gravierende Mängel auf allen Ebenen…
ROCO – oder warum
macht mein Kollege die Arbeit nicht mehr für mich?
Wir
haben es endlich geschafft! Nicht einmal mehr 10% der freipraktizierenden
Kollegen füllen die ROCO aus. Wir haben damit die Repräsentativität verloren
und auch die Chance, unsere steigenden Gestehungskosten zu belegen. Nein! Sie
betrifft unsere Schelte natürlich nicht – Ihre Nachbarn haben ja die
Fragebogen nicht mehr ausgefüllt. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich – man
verinnerliche sich lieber nochmals die Nachlese von Kollege Montgomery…
Uebrigens: Die ROCO-Fragebogen
sind wieder versandt worden. Einsendetermin 15.2.2007…
Dr. med. Martin Jost
Allgemeine Medizin FMH
Winkelstr. 30
8706 Meilen
Tel. 044
923 55 77
Fax 044
923 55 78
Email mail@drjost.ch
Puurehusgruppe: Otto Frei, Andreas Girr, Martin Jost,
Martin Schneider, Josef Widler
Motto
des Tages:
"Nur die allergrössten Kälber
suchen sich den Metzger selber" (La vache qui rit...)…!