Aktionsgruppe www.puure-huus.ch Bulletin
Nr. 50
Liebe Kolleginnen
und Kollegen,
Mit 50 versandten
Mails feiern wir ein kleines Jubiläum. Aber gibt es wirklich etwas zu feiern? Nach
sechs Jahren Kampf für die direkte Medikamentenabgabe ist es den Aerzten in
Zürich und Winterthur immer noch verwehrt, Medikamente abzugeben. Eine der
wichtigen Stützen der Apotheker zur Erhaltung ihres Monopols war Frau alt
Regierungsrätin Verena Diener. Sie hat es verstanden, die Siege der Aerzte in
Benefit für die Apotheker umzudrehen. Nach ihrem Abtreten und der Wahl von
Thomas Heiniger als Vorsteher der Gesundheitsdirektion wird nun hoffentlich ein
neuer Wind wehen.
Nachdem
Frau Diener auch auf dem interkantonalen Parkett viel gesundheitspolitisches
Geschirr zerschlagen hat und inzwischen als Präsidentin der Solothurner Spitäler AG interessensmässig an
die Solothurner Spitäler gebunden ist, gilt es im Herbst unbedingt eine Wahl
als Ständerätin des Kt Zürich zu verhindern!
Mit der Wahl von Thomas Heiniger in den RR und der
Uebernahme der Gesundheitsdirektion hat der Wunschkandidat der Aerzteschaft nun
das Ruder des zürcherischen Gesundheitswesens übernommen. Der ehemalige
Gemeindepräsident von Adliswil ist umgänglich und kompetent und wird
hoffentlich in der Lage sein, die verfahrene Situation zu entkrampfen.
Wir erwarten von ihm keine Wunder, sondern nur die
konsequente Umsetzung liberaler Ideen, insbesondere die rasche Abstimmung über
unsere Medikamenteninitiative, wie sie in einer Pressemitteilung der FDP schon
vor Monaten gefordert worden ist. Nachdem die Politiker in 10 jährigen
Bemühungen keinen Konsens finden konnten, ist endlich das Volk als letzte
Instanz zu befragen und der Volkswille anschliessend schonungslos umzusetzen.
Wir wünschen Herrn Heiniger viel Erfolg und Befriedigung
in seiner neuen Tätigkeit. Wir werden ihn aber auch genau beobachten und Abweichungen
von seinen Wahlversprechen offen legen.
Vor noch nicht allzu langer Zeit hat sich die Aerztedemo
auf dem Bundesplatz gejährt. Damals wurden 3 Kernforderungen gestellt. Diese
waren:
1. Bessere
Arbeitsbedingungen
- durch Erhaltung und Förderung des Dienstleistungsangebotes (Röntgen, Labor, Notfalldienst, ect.) in der medizinischen Grundversorgung;
- durch Reduktion des bürokratischen Aufwandes und der Reglementierung, damit mehr Zeit für die Patienten bleibt;
- durch gleiche Rechte und Chancen in Tariffragen.
2. Umfassende
Mitspracherechte
- durch Einbezug in alle gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse.
3. Praxisnahe
Aus- und Weiterbildungen in Hausarztmedizin
- durch Schaffung von Instituten für Hausarztmedizin an allen Fakultäten in der Schweiz;
- durch finanzielle und ideelle Unterstützung der Weiterbildung künftiger Hausärzte in Arztpraxen (Praxisassistenz), damit ausreichender und motivierter Nachwuchs gesichert wird.
Was ist davon übrig geblieben, wovon spricht man heute
noch? In aller Munde ist die Schaffung von Lehrstühlen für die Hausarztmedizin
an den Universitäten, obwohl diese Forderung doch wohl eher ein Paradoxon und
Widerspruch in sich selber ist. Ob durch den Lehrstuhl wirklich wesentliche Impulse
für die Hausarztmedizin zu erwarten sind und die Motivation der Studierenden
die Hausarztlaufbahn einzuschlagen erhöht werden kann, bleibt abzuwarten.
Von den übrigen Forderungen ist vor allem noch der
Erhalt von Labor und Notfalldienst zu erwähnen. Der Labortarif soll wieder
sinken, wie viel ist noch unbekannt, der Notfalltarif wurde bereits
„angepasst“, meines Erachtens aber nicht an die Bedürfnisse der Hausärzte, die
den Notfalldienst weitestgehend leisten…
4. Wir brauchen ein
angemessenes Einkommen, das automatisch an die Teuerung angepasst wird
Meines Erachtens müssen wir endlich aufhören um den heissen Brei herum zu reden: Ohne ein entsprechendes Einkommen
wird kein junger Kollege mehr in die Praxis zu locken sein! Am 1.
Juni 1989 wurde der Taxpunktwert im Kanton Zürich zum letzten mal angehoben,
von 75 Rp. auf 80 Rp. Seither haben die
Politiker mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten eine
Teuerungsanpassung verhindert. Unser Einkommen ist seither real um 36.6%
(sprich über ein Drittel!!!) gesunken! Niemand wagt es, das der Bevölkerung
endlich klar zu sagen, damit leuchtet auch ein, dass sich der Nimbus des gut
verdienenden Arztes hartnäckig halten kann! Jede andere Berufsgattung wäre
schon längst in den Streik getreten, wir lassen uns Tarmed kostennneutral
aufoktruieren, uns nach einem Jahr TARMED-Steuerung wegen 40 Millionen
Abweichung durch die Zeitungen schleifen, während die Neat gleichzeitig
problemlos und ohne Sturm der Entrüstung eine Milliarde mehr kosten darf.
Es ist müssig bei den Spezialisten die Schuldigen der
eigenen Misere zu suchen, wir sitzen ja alle im gleichen Boot! Aber die
Hausärzte müssen sich endlich zusammenraufen und gemeinsam für ihr Einkommen
kämpfen. Alle wissen, dass wir deutlich billiger arbeiten als ein Spital, alle
wissen aber auch, dass wir politisch keine Durchschlagskraft haben und somit
vertröstet werden können auf den Sankt Nimmerleistag. Wenn wir schliesslich
noch mit dem Vorwurf der Mengenausweitung angegriffen werden, so ist das
einfach dumm: Mengenausweitung bedeutet auch Ausweitung der Arbeitszeit, wenn
wir einen höheren Verdienst erzielen wollen. Diejenigen, die ohnehin schon mehr
als 100% arbeiten, können die Menge gar nicht mehr ausweiten, ausser sie
betreuen weniger Patienten, wodurch zwar der Patientendurchschnitt aber nicht
das Einkommen steigt.
Ein interessanter Artikel ist kürzlich im Beobachter
erschienen. Er zeigt zwar die Problematik der Grundversorger auf, hofft aber
offenbar geradezu auf einen ärzteinternen Krieg Grundversorger gegen
Spezialisten. Vermiesen wir den Journalisten dieses „gefundene Fressen“! Es
geht nicht gegen unsere Kollegen, es
geht nur für die Grundversorger!
Unser Präsident Jacques de Haller bringt es in der
Schweizerischen Aerzetzeitung in einer Replik auf einen Leserbrief auf den
Punkt (S.883): „In Bezug auf das Nachwuchsproblem kann ich die Vorstellung
nicht akzeptieren, dass alles nur einen Frage des Geldes ist! Klar ist
allerdings, dass die Hausärzte besser bezahlt werden müssten – und dies ist
auch ein Ziel der FMH und der SGAM. Das notwendige Geld müssen wir aber
natürlich nicht bei den Fachärzten holen, sondern durch Entscheidungen der
politischen Instanzen erhalten. Diese Entscheidungen lassen jedoch leider lange
auf sich warten.“
Wir müssen dringend über das Geld sprechen,
auch wenn sich viele unserer Vertreter damit immer noch extrem schwer tun. Wir
dürfen unsere Kräfte nicht im Kampf für Röntgen-, Labor-, und Notfalltarif verzetteln:
Das Gesamteinkommen muss Stimmen! Wenn die Einzeltarife sinken, muss
automatisch der übrige Tarif steigen. Dazu müssen wir endlich zu einem
Befreiungsschlag ausholen: Wie wäre es mit einer Umfrage auf der Strasse? Wie
viel soll ein Allgemeinpraktiker verdienen? Mit welchen anderen Berufgruppen
soll er gleichgesetzt werden? Das Resultat wäre sicher spannend und würde
Politiker und Medien wohl aufhorchen lassen!
Der ärztliche Notfalldienst kann in gewissen ländlichen Regionen des Kantons Zürich durch die ansässigen Aerzte nicht mehr erbracht werden. Nur dank den noch vor wenigen Jahren ungern gesehenen Diensten der SOS Aerzte kann in einigen Regionen des Kantons der Notfalldienst überhaupt noch aufrechterhalten werden. Die Misere hat verschiedene Gründe, zB Altersstruktur der praktizierenden Aerzte, Einteilung der Dienstplanregionen, liegt aber vor allem auch daran, dass sich die Kollegen oft mit fadenscheinigen Argumenten vom Dienst dispensieren lassen. Ein eigentlicher Boom beim Willen Notfalldienst zu leisten war nur in der kurzen Zeit festzustellen, in dem die Möglichkeit diskutiert wurde, die Bewilligung zur Medikamentenabgabe an den Notfalldienst zu koppeln…!
Im Moment wird in allen Bezirken die Reorganisation des Notfalldienstes diskutiert. Die Resultate der Bezirke wurden an der letzten Delegiertenversammlung der AGZ am 4.6.07 vorgestellt: Der Trend geht in Richtung eines Call-Centers zur Triage. Diese Einführung würde auch eine einheitliche Notfallnummer im ganzen Kanton zulassen. Die Aufgabe dieses Call-Centers könnte das Aerztefon übernehmen, möglich sind aber auch regionale private Anbieter. Das Call-Center würde den Dienstarzt entlasten und insbesondere die nächtlichen Telefonanrufe vermindern. Diese verminderte Arbeitsbelastung könnte durch grössere Dienstkreise kompensiert werden, wodurch jeder einzelne weniger oft Notfalldienst zu leisten hätte. Gleichzeitig würde das Call-Center dem Patienten eine rasche und kompetente Beratung bieten, ohne dass dieser zuerst den Notfallarzt ausfindig machen muss. Die Kosten für die Call-Center belaufen sich auf 2.50-5.00 Fr pro Einwohner und Jahr und müssten von den angeschlossenen Gemeinden übernommen werden.
Ebenfalls intensiv diskutiert werden Modelle, bei denen der Notfalldienst in der Notfallaufnahme eines Spitals oder in einer dem Spital vorgelagerten Praxis geleistet wird. Eine entsprechende Zusammenarbeit ist am Bezirksspital Affoltern offenbar weit fortgeschritten. Auch in Zürich diskutiert man die Reduktion von fünf auf drei Notfalldienstrayons, die in enger Zusammenarbeit mit den Spitälern USZ, Triemli und Waid stehen würden.
Frau Diener hat den Spitälern per 1.1.08 die Subventionen für ambulante Patienten gestrichen, weshalb diese sehr daran interessiert sind, ihre Notfallstationen zu verkleinern. Gleichzeitig haben die Spitäler aber eine Behandlungspflicht für alle eintreffenden Patienten. Eine ambulante Praxis in der Notfallaufnahme, würde die Probleme der Spitäler lösen. Eine solche Einrichtung ist im ersten Moment auch für viele Notfalldienst leistende Aerzte sehr verlockend, könnten sie doch auf die Infrastruktur des Spitals zurückgreifen, würden die Spitalärzte persönlich kennen lernen und hätten gleichzeitig auch eine gute Weiterbildung.
Es gibt allerdings auch einige gewichtige Gründe gegen die dem Spital angegliederte Arztpraxis, die meines Erachtens keineswegs nur eine win-win Situation darstellt. Wir alle wissen, dass Patienten sehr haustreue Wesen sind, die immer wieder an den gleichen Ort gehen. Im gegebenen Fall würde dies wohl vor allem Ausländer und Patienten ohne Hausarzt betreffen. Es ist zu befürchten, dass die als Notfallpermanance gedachten Institutionen bald von regulären Patienten überschwemmt würden, die einfach dastehen, wenn es ihnen passt. Gleichzeitig stellen sich administrative Probleme. Wer zB archiviert die Krankengeschichte? Wenn diese im Spital bleibt, so ist es für den Praktiker praktisch unmöglich nachträglich eintreffende Versicherungszeugnisse auszufüllen. Nimmt sie der Praktiker mit nach Hause, so ist sie für den Patienten kaum mehr auffindbar. Auch die Abrechnung der ambulanten Leistungen ist problematisch, findet diese im Spital statt, so verliert der Praktiker die Übersicht. Findet diese beim Praktiker statt, so muss er die Unterlagen mit nach Hause nehmen und die Daten dann in den Computer eingeben. Natürlich lassen sich diese Probleme lösen, das zeigt das „Badener-Modell“. Allerdings sollten wir nicht vergessen, dass der Notfallarzt dort für 100.- pro Stunde angestellt ist. Ein sicherlich nicht sehr verlockendes Angebot.
Peter Tschudi, der das Ressort Notfalldienst in der AGZ betreut, wird nun anhand der Interviews in den Bezirken und anhand von Konsultativabstimmungen in der Delegiertenversammlung bis Ende 2007 ein Rahmenreglement erstellen. Dieses wird dann der Delegiertenversammlung zur Genehmigung vorgelegt. Anschliessend werden die Bezirke ihr Notfalldienstreglement anpassen müssen. Bereits vorbesprochen wurden folgende substanzielle Aenderungen: Nichtmitglieder der AGZ müssen gemäss dem neuen Gesundheitsgesetz ebenfalls Notfalldienst leisten. Dispensierte Aerzte können einem ausserkantonalen Vertrauensarzt überwiesen werden. Es gibt nur noch eine untere Grenze für die Ersatzabgabe, aber keine obere mehr. Die Bezirke erhalten die Kompetenz die NF-Kreise verbindlich festzulegen. uam.
Bei allen Anstrengungen den
Notfalldienst als Service Public weiter zu garantieren, dürfen wir aber nicht vergessen,
dass gemäss Gesetz die Gemeinden dafür verantwortlich wären. Ich sehe wirklich
nicht ein, warum wir in der aktuellen Lage den unbeliebten und unrentablen
Notfalldienst einfach weiterhin gratis erbringen sollen. Wir bekommen keinen
Teuerungsausgleich und Reisen mit Pharmafirmen werden wohl vor allem aus
Gründen des Neides verboten. Wir werden überall mit sinnlosen
Qualitätskontrollen schikaniert und weder Politiker noch Juristen setzten sich
für unsere Anliegen ein. Haben Sie jemals einen Feuerwehrmann gesehen, der aus
Freude am Service Public gratis Pikettdienst leistet?!
Dr. med. Andreas Girr
Allgemeine Medizin FMH
Waldstr. 18
8132 Egg
(ZH)
Tel. 044 984 01 11
Fax 044 984 27 51
Email andreas.girr@puure-huus.ch
Puure-Huus Gruppe: Otto Frei, Andreas Girr,
Martin Jost, Martin Schneider, Josef Widler
Motto
des Tages: