Aktionsgruppe www.puure-huus.ch Bulletin
Nr. 61
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Jetzt reicht’s!
Wir feiern ein unrühmliches Jubiläum. Am 30.11.08 haben wir die Initiative zur Wahlfreiheit bei der Medikamentenabgabe mit Hilfe der Zürcher Bevölkerung gewonnen. Seither ist die Umsetzung durch juristische Ränkespiele der Apotheker blockiert. In unserem letzten Bulletin haben wir gefragt, wie es betreffend Medikamentenabgabe in Zürich und Winterthur in Anbetracht der unhaltbaren Situation weiter gehen könnte.
Unser letztes Bulletin hat durch die reisserische Aufmachung
in der NZZ
vom 4.11.09 unerwartet grosse Verbreitung gefunden. Wir hoffen, dass auch
in Bern und Lausanne die zunehmend schlechte Stimmung nicht nur unter den
Aerzten, sondern auch unter den Stimmbürgern endlich zur Kenntnis genommen
wird. Die nüchterne Mitteilung in der NZZ vom
21.11.09, dass wegen hängigen juristischen Verfahren die Einführung der DMA
per 1.1.2010 in den Städten Zürich und Winterthur nicht durchgeführt werden
kann, ist leider absolut richtig. Allerdings hätten wir uns aber einen
entsprechenden politischen Kommentar dazu gewünscht: Wie kann es sein, dass ein
Volksentscheid über Jahre verschleppt wird nur weil die Juristen schlampen? Wer ist in der Schweiz der Souverän, das
Volk oder die Gerichte?
Im oben erwähnten Artikel der NZZ ist auch schon angetönt, wie es allenfalls noch weiter gehen könnte: Nachdem Hr. Couchepin vor seinem Abgang noch die Abschaffung der DMA in die Vernehmlassung gegeben hat, wäre es denkbar, dass im Hinblick auf die schweizweite Abschaffung der SD deren Einführung in Zürich und Winterthur so lange aufgeschoben wird, bis ein gesamtschweizerischer Entscheid vorliegt, was Jahre dauern wird.
In letzter Zeit mehren sich kritische Fragen von Patienten, wozu sie eigentlich noch abstimmen gehen. Das gleiche fragen wir uns natürlich auch. In der Schweiz ist eine ungeheure Geringschätzung von demokratischen Entscheiden zu sehen, gleichzeitig eine Rechtsverluderung in unglaublichem Ausmass. Dass es jetzt reicht, ist nicht nur unser Eindruck, auch der Aerger in der Bevölkerung steigt. Verwunderlich ist lediglich, dass die Zeitungen diese Entwicklung nicht thematisieren und anprangern. Die Situation stinkt doch eigentlich dermassen zum Himmel, dass Hintergrundsberichte darüber viele Leute brennend interessieren würden.
Nach unserem letzten
Bulletin haben wir verschiedene Vorschläge erhalten, wie es weiter gehen
könnte. Realistisch und rechtlich unbedenklich ist das forcieren des
Medikamentenversands über die Apotheke zur Rose. Entscheidend scheint uns aber,
die unhaltbare Situation bei jeder Gelegenheit öffentlich anzuprangern und die
Animation von frustrierten Patienten, ihrem Aerger in Form von Leserbriefen
Ausdruck zu verleihen. Früher oder später müssten auch die Politiker einsehen,
dass es so nicht mehr weiter gehen kann.
Zwischenzeitlich braucht es wohl wieder eine Kampagne unsererseits. Untenstehende Beispiele sind Beispiele für die Wände im Wartezimmer. Sie werden erstaunt sein über das Echo bei den Patienten! (Klick auf Grafik öffnet *.doc Datei). Der Lärm in Zürich muss so laut sein, dass es für das Bundesgericht wie in einem Fussballstadion tönt. Das beschleunigt bekanntermassen die Entscheide…
Die Initiative "Ja zur Hausarztmedizin" ist gestartet. Wir werden sicher keine Probleme haben, die nötigen Unterschriften zusammen zu bringen. Die Initiative ist populär und wird wohl wie die Initiative zur Komplementärmedizin problemlos und mit grossem Mehr angenommen werden. Wenn wir allerdings den Initiativtext lesen und diesen mit den beabsichtigten Zielen in der Begleitschrift vergleichen, dann haben wir Zweifel daran, ob die Politiker diese Ziele auch wirklich umsetzen werden. Vielmehr haben wir den Eindruck, dass dieser Initiative das gleiche Schicksal zukommen wird wie der Initiative zur Komplementärmedizin: Alle sind dafür, aber nichts passiert. Oder wie ein Gesundheitspolitiker einmal sagte: die prinzipielle Zustimmung ist die nobelste Form der Ablehnung.
Wo ist das Problem? Die Initiative ist viel zu wenig konkret. Das Labor ist ja nicht abgeschafft - wir dürfen ja auch heute noch Labor machen. Eine "angemessene Abgeltung" ist ein dehnbarer Begriff. BR Couchepin würde sagen, dass wir auch heute noch eine angemessene Abgeltung erhalten. Allerdings würde er vergessen zu erwähnen, dass dies bestenfalls für drei Analysen stimmt. Es muss endlich klar sein, dass wir nicht wie Lazarus gratis arbeiten, sondern dass wir wie jedes andere KMU aus unseren Tätigkeiten Gewinn erzielen wollen und müssen. Es kann nicht sein, dass uns ständig wegen "Interessenskonflikten" Teilbereiche unserer Tätigkeit entzogen werden und wir als Dank dafür seit dreissig Jahren auf den Teuerungsausgleich verzichten!
Was wir brauchen um den Beruf des Hausarztes wieder attraktiv zu machen ist schlicht und einfach ein deutlich höherer Taxpunktwert, vorher werden wir keinen Nachwuchs mehr für diesen Beruf begeistern können. Und das ist der Pferdefuss an der Sache: Alle wollen einen Hausarzt, aber gratis soll er sein. Die Initiative spricht nur vom Hausarzt. Den Rest überlässt sie den Politikern. Was dabei wohl herauskommt?!
Herr Burkhalter hat ein schweres Erbe angetreten. Immerhin lässt sich bereits jetzt sagen, dass die Gesprächskultur mit ihm besser ist als mit seinem Vorgänger. BR Burkhalter hat als National Oekonom auch das nötige Rüstzeug, das es ihm erlauben sollte zu erkennen, wann die Zitrone ausgepresst ist (Lebenslauf BR Burkhalter). Durch die Einführung von Managed Care lässt sich vielleicht noch etwas holen. Es ist aber zu befürchten, dass diese Einsparung durch den medizinischen Fortschritt schneller aufgefressen wird, als sie politisch zu erreichen ist (Dies zeigt übrigens, dass die Medizin wesentlich effizienter arbeitet als die Politik…).
Früher oder später wird sich wohl auch bei den Politikern die Einsicht durchsetzten müssen, dass die Gesundheitskosten mit dem jetzigen System weiter wachsen und daran nicht die Hausärzte schuld sind. Wenn man die Kosten dämpfen will, so muss man den "Selbstbedienungsladen Gesundheitswesen" schliessen und die Leistungen einschränken. Auch die Entflechtung von Interessenskonflikten auf höchster politischer Ebene könnte Kosten einsparen. Dazu kann sich aber das Parlament nicht durchringen - es ist ja auch viel leichter den Hausarzt als Sündenbock hinzustellen, als vor der eigenen Türe zu kehren.
Dr. med. Andreas Girr
Allgemeine Medizin FMH
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984 01 11
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Email andreas.girr@puure-huus.ch
Puure-Huus Gruppe: Otto Frei, Andreas Girr,
Martin Jost, Martin Schneider, Josef Widler
Motto
des Tages:
Warum regen wir uns über Bananerepubliken auf?
Wir haben unser eigenes Bundesgericht!